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Impuls: Die Kunst des "Nicht-Tuns" – Warum begleitetes Geschehenlassen die stärkste Methode ist

Als pädagogische Fachkräfte spüren wir oft den inneren und äußeren Druck, aktiv zu sein: zu fördern, anzuleiten, zu intervenieren. Doch in der Naturpädagogik liegt eine der größten Stärken in einer scheinbar passiven Haltung: der Kunst des “Nicht-Tuns”.

Es geht nicht um Desinteresse, sondern um die bewusste Entscheidung, den Kindern den Raum zu geben, ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Dieser Impuls plädiert für eine Pädagogik des Vertrauens, in der begleitetes Geschehenlassen zur wirkungsvollsten Methode wird.


Der Trugschluss des pädagogischen Aktionismus

Ständige Intervention, auch wenn sie gut gemeint ist, kann Lernprozesse stören:

  • Sie unterbricht den kindlichen “Flow”, jenen Zustand tiefer Konzentration im Spiel.
  • Sie nimmt den Kindern die Erfahrung der Selbstwirksamkeit, weil die Lösung von außen kommt.
  • Sie signalisiert ein Misstrauen in die Fähigkeiten des Kindes, seine Probleme selbst zu lösen.

Die wahre Kunst liegt darin, den Unterschied zwischen notwendiger Unterstützung und störendem Eingreifen zu erkennen.

Die drei Säulen des “Nicht-Tuns”

Diese Haltung basiert auf drei aktiven inneren Entscheidungen:

  1. Radikales Beobachten
    Anstatt sofort zu handeln, treten wir einen Schritt zurück und werden zu Forschern des kindlichen Spiels. Was passiert hier gerade? Welches Bedürfnis steckt dahinter? Welche Kompetenzen werden erprobt? Erst durch Verstehen können wir sinnvoll agieren.

  2. Bedingungsloses Vertrauen
    Wir vertrauen fundamental darauf, dass das Kind den angeborenen Willen und die Fähigkeit hat, sich die Welt anzueignen. Wir vertrauen darauf, dass es aus Fehlern lernt und an Herausforderungen wächst.

  3. Bewusstes Raumgeben
    Wir schaffen einen sicheren und anregenden Rahmen, aber wir füllen ihn nicht mit unseren eigenen Plänen. Wir halten Raum für Langeweile, aus der die kreativsten Ideen entstehen. Wir halten Raum für Konflikte, in denen soziale Kompetenz wächst.


Praktische Übungen für den Alltag

Wie lässt sich diese Haltung konkret trainieren?

  1. Hände in die Taschen: Wenn Sie den Impuls verspüren, einzugreifen, stecken Sie bewusst die Hände in die Taschen und beobachten Sie 30 Sekunden länger. Meist löst sich die Situation von selbst.
  2. Der Beobachter-Posten: Suchen Sie sich einen festen Platz (einen Baumstumpf, einen Stein), von dem aus Sie das Geschehen eine Weile nur beobachten, ohne einzugreifen.
  3. Die “Was-wäre-wenn”-Frage: Anstatt eine Lösung vorzugeben (“Nimm doch den anderen Stock”), stellen Sie eine offene Frage: “Ich frage mich, was passieren würde, wenn du es mal so probierst…”.

Letzte Aktualisierung: 21. August 2025