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Leitfaden Standortwahl: Das perfekte Grundstück für Ihre Naturkita finden

Die wichtigste Entscheidung: Warum der Standort alles ist

Bei der Gründung einer Naturkita ist die Wahl des Standorts weit mehr als eine logistische Notwendigkeit – sie ist die fundamentale pädagogische und organisatorische Weichenstellung für Ihr gesamtes Vorhaben. Der Naturraum selbst ist, nach den Kindern und den Pädagogen, der “dritte Erzieher”. Ein gut gewählter Ort inspiriert, fördert, schützt und bildet den Rahmen für unzählige Lern- und Entwicklungsprozesse. Eine unpassende Wahl hingegen kann den Alltag erschweren, die Sicherheit gefährden und den pädagogischen Spielraum einschränken.

Dieser Leitfaden bietet Ihnen eine strukturierte Übersicht über alle entscheidenden Kriterien, die Sie bei der Suche und Bewertung eines potenziellen Standorts für Ihren Natur- oder Waldkindergarten berücksichtigen müssen. Nutzen Sie ihn als Kompass, um einen Ort zu finden, der nicht nur funktioniert, sondern Ihre Vision lebendig werden lässt.


Die 4 Perspektiven der Standortanalyse

Eine erfolgreiche Standortwahl basiert auf vier ineinandergreifenden Perspektiven. Betrachten Sie potenzielle Orte immer durch diese vier “Brillen”, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.

  1. Die pädagogische Brille
    Leitfrage: Inspiriert dieser Ort die Kinder und unterstützt er unser pädagogisches Konzept?
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  2. Die logistische Brille
    Leitfrage: Ist der Alltag an diesem Ort für Eltern, Kinder und Personal praktikabel und sicher?
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  3. Die administrative Brille
    Leitfrage: Ist die Nutzung dieses Ortes rechtlich zulässig und genehmigungsfähig?
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  4. Die Sicherheits-Brille
    Leitfrage: Sind die Risiken an diesem Ort bekannt, bewertbar und durch unser Konzept beherrschbar?
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1. Pädagogische Kriterien: Der Raum als Erzieher

Dies ist das Herzstück Ihrer Suche. Der Ort muss zu Ihrem pädagogischen Konzept passen und es aktiv unterstützen.

  • Vielfalt des Naturraums: Der ideale Standort ist mehr als nur ein Wiesen- oder Waldstück. Suchen Sie nach Vielfalt: Gibt es neben Bäumen auch Wiesen, Hecken, vielleicht sogar einen (sicheren) Bachlauf, Hügel oder Senken? Unterschiedliche “Natur-Zimmer” fördern vielfältige Spielformen.
  • Anregungsreichtum & Material: Bietet der Ort genügend “loses Material” (loose parts) wie Äste, Steine, Zapfen, Laub und Erde? Gibt es Kletterbäume, Dickicht zum Verstecken, Wurzeln zum Balancieren oder Flächen zum Graben?
  • Platz für Bewegung & Ruhe: Es braucht offene Flächen zum Rennen, Toben und für Gruppenspiele. Genauso wichtig sind aber auch geschützte, ruhige Nischen für den Rückzug, für konzentriertes Spiel oder den Mittagsschlaf.
  • Erlebbarkeit der Jahreszeiten: Ein guter Standort verändert sich im Laufe des Jahres sichtbar. Laubbäume, blühende Wiesen im Frühling und schneebedeckte Flächen im Winter machen den Kreislauf der Natur direkt erfahrbar.

2. Praktische & Logistische Kriterien: Der Alltag muss funktionieren

Die schönste Natur-Oase nützt nichts, wenn sie im täglichen Betrieb unüberwindbare Hürden aufwirft.

  • Erreichbarkeit:
    • Für Eltern: Wie kommen die Familien zur Kita? Gibt es eine Anbindung an den ÖPNV, sichere Fahrradwege oder ist die Anfahrt nur per Auto möglich? Ein zu abgelegener Ort kann ein Ausschlusskriterium für viele Familien sein.
    • Für Rettungsdienste: Ist der Standort jederzeit und bei jeder Witterung für einen Kranken- oder Feuerwehrwagen erreichbar? Dies ist eine zwingende Voraussetzung für die Betriebserlaubnis.
  • Bring- & Abholzone: Gibt es eine sichere Möglichkeit für Eltern, kurz zu halten, ohne den Verkehr zu gefährden? Planen Sie einen gut organisierten Sammelpunkt.
  • Eigentumsverhältnisse & Nutzungsrechte: Klären Sie frühzeitig, wem das Grundstück gehört (Kommune, Forst, Privatperson). Sichern Sie sich die Nutzung durch einen langfristigen Pacht- oder Mietvertrag.
  • Infrastruktur für die Basisstation: Wo soll Ihr Bauwagen, Ihre Hütte oder Jurte stehen? Prüfen Sie, ob dort eventuell ein Wasser- oder Stromanschluss möglich ist, falls dies für Ihr Konzept (z.B. zum Kochen) erforderlich ist.

3. Rechtliche & Administrative Kriterien: Der Weg durch die Bürokratie

Die Gründung einer Kita ist immer ein genehmigungspflichtiges Vorhaben. Klären Sie folgende Punkte frühzeitig mit den zuständigen Behörden.

  • Flächennutzungs- & Bebauungsplan: Prüfen Sie bei der Gemeinde, ob die geplante Nutzung an diesem Ort grundsätzlich zulässig ist. Insbesondere im Außenbereich gibt es oft strenge Auflagen.
  • Genehmigungen einholen: Sie benötigen Zustimmungen von verschiedenen Stellen. Suchen Sie früh den Dialog mit:
    • Jugendamt: Für die Betriebserlaubnis (§45 SGB VIII) ist ein geeigneter Standort eine Grundvoraussetzung.
    • Bauamt: Für das Aufstellen eines Bauwagens oder einer Hütte.
    • Forstamt/Untere Naturschutzbehörde: Für die Nutzung von Wald- und Landschaftsflächen.
    • Gesundheitsamt: Für Ihr Hygienekonzept (insb. Toiletten- und Wasserlösung).

4. Sicherheits- & Risikoanalyse: Gefahren erkennen und managen

Ein Naturkindergarten lebt vom pädagogisch begleiteten Risiko. Dennoch müssen unkalkulierbare Gefahren minimiert werden. Führen Sie eine gründliche Analyse des Geländes und seiner Umgebung durch.

Natürliche Gefahrenquellen (Beispiele)

  • Totholz & Astbruch: Gibt es viele alte, morsche Bäume (“Witwenmacher”)?
  • Giftpflanzen & Pilze: Identifizieren Sie Vorkommen von z.B. Eibe, Tollkirsche, Herbstzeitlose oder Knollenblätterpilzen.
  • Tierische Risiken: Ist das Gebiet als Zecken-Risikogebiet bekannt? Gibt es Spuren vom Eichenprozessionsspinner oder Fuchsbauten (Fuchsbandwurm)?
  • Geländerisiken: Gibt es steile Abhänge, ungesicherte Gewässer oder dorniges Gestrüpp?

Zivilisatorische Gefahrenquellen (Umgebungsanalyse)

Der Blick über die Grenzen des eigenen Grundstücks ist unerlässlich. Bestimmte Umgebungsfaktoren erfordern eine gesonderte, tiefgehende Betrachtung.

  • Nähe zu Hochspannungsmasten: Elektromagnetische Felder sind ein sensibles Thema, das bei Eltern oft Sorgen auslöst. Die wissenschaftliche und behördliche Bewertung ist komplex und mündet in einer klaren Vorsorge-Empfehlung.
  • Nähe zu stark befahrenen Straßen: Lärm und Feinstaub können die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen. Zudem besteht immer die Gefahr, dass ein Kind auf die Straße läuft. Ein ausreichender Puffer (z.B. durch dichten Bewuchs) ist wichtig.
  • Nähe zu landwirtschaftlichen Flächen: Klären Sie, ob auf angrenzenden Feldern Pestizide gespritzt werden. Abdrift kann ein Gesundheitsrisiko darstellen. Suchen Sie das Gespräch mit den Landwirten.
  • Forstwirtschaft & Jagd: Stimmen Sie sich eng mit dem zuständigen Förster und Jagdpächter ab, um Gefahren durch Holzeinschlag oder Jagdbetrieb auszuschließen.

Umfassende Checkliste zur Standortbewertung

Nutzen Sie diese Checkliste bei der Begehung potenzieller Grundstücke.

Pädagogik

  • Bietet der Ort eine Vielfalt an Naturräumen (Wald, Wiese etc.)?
  • Gibt es ausreichend anregendes Spielmaterial (Äste, Steine, Lehm)?
  • Sind sowohl offene Bewegungsflächen als auch geschützte Rückzugsorte vorhanden?
  • Sind die Jahreszeiten gut erlebbar?

Logistik

  • Ist die Erreichbarkeit für Eltern (Auto/ÖPNV/Fahrrad) gegeben?
  • Ist die Zufahrt für Rettungsdienste jederzeit gewährleistet?
  • Gibt es eine sichere Bring- und Abholzone?
  • Sind die Eigentumsverhältnisse geklärt und ist ein langfristiger Vertrag möglich?

Recht & Verwaltung

  • Wurde eine erste Anfrage bei der Gemeinde (Flächennutzungsplan) gestellt?
  • Gab es Vorgespräche mit Jugendamt, Forst und Bauamt?
  • Ist die Verkehrssicherungspflicht klar geregelt?

Sicherheit & Risiken

  • Wurde das Gelände auf Totholz, Giftpflanzen und andere natürliche Gefahren geprüft?
  • Wurde die Umgebung analysiert (Straßen, Landwirtschaft, Hochspannungsmasten)?
  • Ist ein klares Sicherheitskonzept für den Standort umsetzbar?

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach dem perfekten Ort für Ihren Traum von einer eigenen Naturkita!


Letzte Aktualisierung: 17. August 2025